Frage:
Wir
überlegen eine Bürgergenossenschaft in unserer Gemeinde zu gründen. Welche
Aufgaben könnte eine solche Genossenschaft übernehmen? Und wie könnte sie auch
die „Geldgeschäfte“ besonders für ältere Menschen erledigen, denn unsere
Volksbank-Filiale wurde bereits geschlossen?
Eine gute Idee, Selbstorganisation
ist die beste Antwort gegenüber denen, die Eigeninteressen
v o r Gesamtinteressen sehen.
Um es vorwegzunehmen:
Aus
Sicht der „Struktur“
und der Konkurrenz (hier z.B. einer
Volksbank) mag es sinnvoll erscheinen, irgendwelche einzelwirtschaftliche
Interessen als alleiniges Merkmal zu sehen, denen man folgt, um die „Struktur“
erfolgreich zu machen.
Aus
Sicht von Kooperation und Miteinander
– also dem Gegenteil von Konkurrenz – ist eine solche Perspektive geradezu
fatal. Es kann und darf – sofern man das wirklich will – dann keinen Widerspruch zwischen Einzelinteresse
und Gesamtinteresse (Folgenbeurteilung) geben.
Weil das so sein kann – oder im
Falles des Schließens einer Filiale mit der Folge, die gesamte Geldversorgung
der Menschen in einer Gemeinde vor Probleme zu stellen, was eigentlich „kooperationswidrig“ ist, sollte man
nicht, „Kooperation“ weniger an Rechtsform festzumachen. Die Rechtsform einer
Genossenschaft ist sicherlich die für einen kooperativen Wandel – derzeit – am
besten geeignetste Form, aber auch hier gebietet es sich – wir täglich aufs
Neue erfahren - genauer hinzusehen.
Die einfache Frage, um nicht „ent-täuscht“ zu werden könnte lauten:
„Ist
das auch wirklich drin, was dran steht?“
Im Klartext heißt das:
„Heißt eine Struktur lediglich
„Genossenschaft“ oder verhält diese Struktur sich auch „genossenschaftlich“?
Herr
Raiffeisen würde wohl genau solche Fragen heute stellen!
Leider hat man sich bisher bei der
Gestaltung des „Unternehmens-Zwecks“ einer Genossenschaft bisher darauf beschränkt, viele –
strukturbezogene – Aussagen in Satzung und Eigen-Medien zu treffen, hat
allerdings selten etwas dazu ausgesagt, welches Selbstverständnis man in Bezug auf das wirtschaftliche Umfeld hat, z.B. die Menschen auf die sich dieses
Handeln auswirkt.
Und weil das fehlt, scheinen es z.B.
Genossenschaftsbanken einfach zu haben, ihre Verschmelzungs- und
Rationalisierungsentscheidungen „einäugig“ begründen zu können.
Aber sie gehen sogar noch einen
Schritt weiter und „biegen“ selbst das „Kernstück“ des (bisherigen)
Genossenschaftsgedankens oder Genossenschaftsrechts, den „Förderzweck“ für ihre
Mitglieder noch so, als würde der sich aus den „Strukturinteressen“ ergeben,
die Verbände und „Consultants“ quasi vorgeben.
Das
Motiv der „Gründerväter“, wie Friedrich-Wilhelm Raiffeisen und Hermann
Schulze-Delitzsch war eigentlich ein völlig anderes. Dort war aller Ausgangpunkt zur
Gründung von „Darlehnskassen“, die Not
der Menschen vor Ort „genossenschaftlich“ – als selbstorganisiert – zu
lösen.
Raiffeisen war sich also seiner örtlichen
Verpflichtung gut bewusst.
Seine heutige Antwort würde dann
vermutlich auch sein, eher „Raiffeisen-Bürgergenossenschaften“
zu gründen, wie „Raiffeisen-Banken“.
Völlig unklar bleibt, weshalb eine
solche Idee nicht den – selbsternannten – Nachfolgern von Raiffeisen kommt,
denn es kann ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass ihre Entscheidungen für
„groß und größer“ dazu führen müssen, dass man sich quasi – bewusst oder
unbewusst – gegen das „Dorf“ und gegen
die Menschen vor Ort entscheiden tut.
Es kann einem
„Genossenschafts-Konzern“, zu dem die Raiffeisen-Struktur inzwischen „mutiert“
ist, einfach nicht verborgen geblieben
sein, welche Folgen ein einseitig strukturbezogenes Denken und Handeln
auslöst.
Schon allein folgende Situation
sollte nachdenklich machen, wie problematisch ein solches „Engpass-Denken“ letztlich ist:
Unter den Begriffen „Demografischer Wandel“ und „Stärkung des ländlichen Raumes“ werden
in Milliardenhöhe staatliche Fördermittel für Forschung und Förderung
ausgegeben. Ein politisch gut nachvollziehbares, sinnvolles Handeln.
Zugleich
verursachen jedoch Genossenschaftsbanken und – leider auch Sparkassen – genau
das Gegenteil: Sie schwächen mit ihrer
Geschäftspolitik den ländlichen Raum, machen ihn also gleichzeitig unattraktiver.
So etwas kann nur geschehen, wenn
man sich selbst von den ursprünglichen Gedanken seiner Gründer weit entfernt
hat.
Ein solches Handeln ist weder mit
den Ursprüngen von Raiffeisen vereinbar,
noch passt dies zu dem gesamtpolitischen Willen des Landes!
Und wenn – zusätzlich – so merkwürdige
Situationen bekannt werden, dass quasi
mittels „enteignungsgleiche Handlungen“
sogar – indirekt - Vermögen des Ortes
abgezogen wird, dann ist irgendetwas
völlig quer geraten. So etwas hat mit regionaler Kooperation nun wirklich
nichts mehr zu tun (Gemeint ist – wie bereits in anderen Beiträgen ausgeführt,
dass die zu verschmelzenden Banken das Vermögen der Mitglieder auf die neue
„Großbank“ übertragen)
So etwas kann man durchaus als „Vermögenstransfer
von klein auf groß“ bezeichnen. Da die betroffenen Mitglieder zugleich Bürger
eine Dorfes oder einer Gemeinde sind, bedeutet das auch zugleich einen Vermögensverlust „vor Ort“.
Ohne
die „Konzentration“ bliebe entweder:
A. Die „Bank vor Ort“ oder
B. Könnten die Mitglieder der
(kleinen) Bank jederzeit darüber befinden, dies
Vermögen in der Gemeinde zu investieren.
Wer Genossenschaften so versteht,
hat kaum Interesse daran, dass Genossenschaften zu einem wichtigen „Leitsystem“
für einen kooperativen Wandel werden …
So wird nicht nur nach innen „Frust in Genossenschaft“ erzeugt,
sondern auch die Außenwirkung zu
Lasten des Genossenschaftsgedankens ist problematisch. Wenn „Strukturinteressen“ vor Mitglieder- oder
Menscheninteressen gestellt werden, dann ist auch das eingetreten, was niemals den Interessen von „Raiffeisen“
entspricht.
Jetzt bedarf es einiger
„Aufräumarbeiten“, soll weiterhin der Genossenschaftsgedanke das Vertrauen der
Menschen behalten, vielleicht sogar mittels Genossenschaften die
„Miteinander-Kultur“ weiter Aufschwung behalten:
Angemessene
Schritte in diese Richtung könnten z.B. sein:
A. Entsprechende Debatten und
Diskussionen in Parlamenten zu beginnen (Bund/Länder/Kommunen), um eindeutig die Standpunkte aller Parteien zu erfahren.
B.
Wenn
es sich nicht vermeiden lässt, auch Gerichte mit dieser Thematik zu befassen,
um zu klären, ob im Rahmen von Verschmelzungen wirklich alle Mitglieder über
alle Folgen informiert wurden, sie letztlich wissend- und willentlich ihr
Vermögen – souverän – an die „aufnehmende“ (größere) Bank übertragen wollten. Sollte festgestellt werden, dass solche
Informationen nicht erfolgten, wäre über Nachteilsausgleich und
Verschuldenshaftung von Organen nachzudenken. Auch hierfür wäre die Politik
aufgerufen, z.B. eine entsprechende „Untersuchungs-kommission“
einzurichten.
C. Die Menschen müssen beginnen, zu
erkennen, dass sie es letztlich selbst es in der Hand haben, entweder zu
warten, was mit ihnen geschieht oder das was geschehen soll und muss, selbst zu organisieren, z.B. eine Bürgergenossenschaft
im Ort zu gründen..
Wohl gemerkt, um keine
Missverständnisse entstehen zu lassen, hier geht es nicht um Kritik, sondern um Lösungen, sowohl aus Sicht des
originären genossenschaftlichen Anliegens, wie auch im Interesse der Menschen
und der Glaubwürdigkeit, dass ein kooperativer Wandel keine „Worthülse“ bleibt,
sondern ein qualitativ höherwertigeres Leben für Menschen entsteht, weil
„Miteinander“ natürlich, effektiv und
lebenskonform ist.
Wir haben diesen Vorlauf genutzt, um
anzudeuten, dass Bürgergenossenschaften vermutlich
mehr Aufgaben haben könnten, als bisher angenommen.
Wir haben auch zeigen wollen, dass
Genossenschaften jetzt gefordert sind, vor allem den Menschen in Lande zu zeigen, dass diese Rechtsform sehr
wohl den Anspruch erheben kann, als wichtige Grundlage für eine
„Miteinander-Gesellschaft“ zu gelten.
Genossenschaften sind jedoch jetzt
besonders gefordert, dieses Vertrauen zu rechtfertigen.
Wir
nennen dies auch, auf den wahren Wurzeln von „Raiffeisen“ aufzubauen.
Damit sind die Voraussetzungen
gegeben, um im Teil 2 das Konzept „Bürgergenossenschaften“ - ihre Potenziale,
Erwartungen und Chancen - besser erkennen zu können.
Bürgergenossenschaften sind – so
unsere Beurteilung – unverzichtbare Strukturen, insbesondere um das latente
Gefälle von Stadt und Land nicht nur zu „bremsen“. Bürgergenossenschaften können sogar die Kraft haben, diesen Trend
umzukehren.
Dies kann jedoch nur dann erreicht
werden, wenn ein Gleichklang zwischen Politik, Verbänden, Vereinen, Unternehmen
(besonders Genossenschaften) und den
Menschen in den betreffenden Regionen und Gemeinden erkennbar wird.
Bürgergenossenschaften
sind auch dafür wichtige Ideengeber, Initiatoren und Koordinatoren!
(Gern
können Sie „CoopTransform“ Ihre Fragen zusenden. Wir werden unsere Antworten –
möglichst zeitnah - entweder einzeln oder innerhalb eines gleichen
Themenkomplexes veröffentlichen. CoopTransform unterstützt die kooperative Bewegung CoopGo – www.CoopGo.de )