Die
Verfasser der Arbeitsgruppe cooptrans Bürgergenossenschaften haben den
Genonachrichten exklusiv einen Auszug aus ihren Arbeitspapieren
zur Verfügung gestellt, den wir hier in stark gekürzter Fassung
vorstellen.
Eine
gleichlautende coopgo Seminarreihe sowie
eine Buchveröffentlichung sind in Vorbereitung.
Der coopgo Ratgeber Bürgergenossenschaften wird im Herbst 2018 unter der
ISBN 978-3-947355-21-1 in der igenos Schriftenreihe:
In guter
Genossenschaft als Band 1 erscheinen.
Die
Fusionswelle der Genossenschaftsbanken geht uns alle an. Woche für Woche kommen
neue Verschmelzungspläne an das Tageslicht. Die Muster sind immer die
gleichen. Die Abwicklung ist automatisiert. Die Auswirkungen für die
Genossenschaftsmitglieder auch. Mit jeder Verschmelzung wird eine
Genossenschaft im Genossenschaftsregister gelöscht und das genossenschaftliche
Vermögen abgezogen. Diese „genossenschaftliche Umlagerung“ des
Genossenschaftsvermögens kann eine Bürgergenossenschaft verhindern.
Immer
wieder werden Fragen von mehr oder weniger hilflosen Bankgenossen
gestellt, dass die Verschmelzung „ihrer“ Bank droht oder gerade in Gang ist und
dass sie sich in dieser Situation nicht nur recht hilflos fühlen, sondern auch
nicht den Eindruck haben, der „Übermacht“ der Verbände gewachsen zu sein.
Letzteres gilt auch für betroffene Mitarbeiter und Vorstände. Aber wem gehört
eigentlich unsere Genossenschaftsbank?
Politik und
Genossenschaftsverbände sind sich einig, dass der Genossenschafts-Gedanke in
Zukunft insbesondere auch deshalb von großer Bedeutung ist, damit das
bevorstehende Zeitalter der „Digitalisierung“ sich nicht gegen die Menschen
wendet, sondern ihnen Nutzen bringt. Genau diese Digitalisierung des
Geldverkehrs ist eine Ursache warum viele Bankfilialen geschlossen und
kleinere Genossenschaftsbanken wegen angeblich mangelnder Rentabilität zur
Fusion gezwungen werden.
Es entsteht
schnell der Eindruck, dass eine zentral vorgegebene Verbandspolitik
deutlich mehr Gewicht hat, wie die Einhaltung genossenschaftlicher Grundprinzipien.
Welche internationale Unternehmensberatung hat die BVR Strategien
entwickelt oder nach dem „paste & copy Prinzip“ übernommen.
Anscheinend konnten die Berater keinerlei Rücksicht auf das Genossenschaftsgesetz
nehmen, weil sie dieses offensichtlich nicht kannten. Hierfür gibt es
zahlreiche Belege.
Sofern man
wirklich glaubt, dass Genossenschaftsmitglieder – möglicherweise mangels
qualifizierter Fähigkeiten – nicht zu informieren oder offen einzubeziehen
wären, um beurteilen zu können, ob „ihre“ Genossenschaft quasi „aufgelöst“ wird
(Verschmelzung bedeutet dies faktisch), sollte man ernsthaft darüber
nachdenken, ob die Form einer Genossenschaft wirklich (noch) die richtige
Rechtsform ist. Oder wird die Rechtsform Genossenschaft hier missbräuchlich
genutzt um die Genossenschaftsmitglieder vom Vermögen ihrer Genossenschaft
auszuschließen. Oder werden die Genossenschaftsmitglieder aber auch Vorstände
und Aufsichtsräte vorsätzlich „dumm gehalten“?
Der genossenschaftliche
Förderauftrag ist nicht abstrakt, sondern in der Bundestagsdrucksache V 3500
genau definiert.
Es ist an
der Zeit, wieder den „Weg frei zu machen“, sich daran zu erinnern, dass auch im
genossenschaftlichen Bankenbereich die Mitglieder im Mittelpunkt der
Geschäftspolitik stehen müssen. Das müssen auch die Auftragsforscher der
genossenschaftlichen Institute endlich begreifen.
Der
Gesetzgeber ist dringend aufgefordert, hier tätig zu werden. Die Frage muss
gestellt werden, ob es nicht z.B. eines eigenen „Genossenschaftsgesetzes für
Banken“ bedarf. Auch die Rolle der „Bafin als Erfüllungsgehilfe“ der Verbände
sollte einmal kritisch überprüft werden.
Das
Genossenschaftsrecht gilt derzeit für alle Formen von Genossenschaften. Damit
geben die Genossenschaftsbanken quasi vor, was auch für andere
Genossenschaftsformen Anwendung finden muss. Die Anforderungen zur
Qualitätssicherung sind dafür ein Beispiel. Auch diese spricht für eine
gesonderte gesetzliche Regelung für Genobanken, die auch bei anderen Genossenschaften
für hohe Kosten sorgen.
Aus der
Sicht von Verbandsstrategen mag es Sinn machen, erkannt zu haben, wie man das
Genossenschaftsprinzip „Unteilbarer Fonds“ ganz legal nutzen kann, um zu einem
„exponentiellen Vermögenszuwachs“ zu kommen. Wie nun aber die
Genossenschaftspraxis auf die aktuelle
Veröffentlichung von Volker Beuthien umgeht, wird sich
zeigen.
Aus genossenschaftlicher
Sicht scheint es alles andere als legitim zu sein, durch „Desinformation,
Verschweigen und andere subtile Formen“ Geschäftsstrategien auf dem Rücken der
Mitglieder auszutragen. Ein Beispiel sind die Fonds für allgemeine
Bankrisiken. Auf diese Fonds hat die BVR Sicherungseinrichtung im Fall
einer Bankenkrise direkten Zugriff. Diese Fonds werden angelegt, ohne die
Mitglieder über diese Gewinnkürzung zu informieren und sind nicht
in der Satzung der Genossenschaft verankert. Warum sollen
Genossenschaftsmitglieder bundesweit für die Spekulationsgeschäfte der DZ
Bank haften? Zumindest die Genossenschaftsverbände sollten wissen, dass
allein die Generalversammlung über die Gewinnverteilung entscheidet. Unter
Genossen sollte es keine Geheimnisse geben.
Und
schlussendlich müssen die Mitglieder wieder zum wirklichen Souverän über „ihre“
Genossenschaft werden, zumindest wenn es um „Sein oder Nichtsein“ „ihrer“
Genossenschaft geht. Und darum geht es bei jeder Verschmelzung!
Das mag den
(beteiligten) Genossenschaftsverbänden nicht gefallen. Aber darum geht es eher
nachrangig.
Hier steht
mehr auf dem Spiel als nur Verbandsinteressen. Hier geht es letztlich um das
„Ansehen des deutschen Genossenschaftswesens aktuell und zukunftsbezogen“
schlechthin.
Solange
keine gesetzliche Reglungen bestehen, ist es deshalb dringend geboten,
Abwehrstrategien zu entwickeln, die die Rechte der Mitglieder zu mehr
Wirkungskraft verhelfen.
Dann geht
es darum, wirtschaftlich sinnvolle und tragfähige Alternativen zu einer
Verschmelzung anzubieten.
Eine
Antwort könnten Bürgergenossenschaften sein.
Wenn ein
„Raiffeisen-Jahr-2018“ wirklich Sinn machen soll, dann muss es über das
hinausgehen, was Friedrich Wilhelm Raiffeisen damals begonnen hat. Wenn wir es
schaffen, sagen zu können:
dann haben
sich alle Mühen wirklich gelohnt. Dazu sind neue, richtungsweisende Impulse
jetzt wichtig!
Das Konzept
„Bürgergenossenschaft“ soll und kann dazu dienen.
- Das auf der Grundidee von
Raiffeisen aufbauende „Darlehnskassen-Konzept“ hatte einen eindeutigen
Förderzweck: Die Mitglieder der Darlehnskassen vom „Zins-Wucher“ zu
befreien. In einer Niedrigzinsphase ist das kein Thema.
- Die heutigen Volksbanken stehen
zwar in dieser Tradition, sie wollen oder können jedoch inzwischen keinen
wirklichen Förderzweck mehr darstellen.
- Ähnlich wie damals, ist der
ländliche Raum auch heute ein Thema. Trotz vieler
Bemühungen ist es bisher nicht gelungen, die ländlichen Räume attraktiv zu
gestalten. Die Antwort von Raiffeisen wäre heute ebenfalls eine
genossenschaftliche: Die Gründung von Bürgergenossenschaften!
Und Raiffeisen hätte sich dabei kaum damit zufrieden gegeben,
den Zustand etwas „erträglicher“ zu gestalten. Er hätte wohl eine
grundsätzlichere Lösung angestrebt. Und diese heißt dann: Wirtschaftliche
und soziale Aspekte eng miteinander zu verbinden.
- Und weil Friedrich Wilhelm
Raiffeisen klug genug wäre, hätte er auch gesehen, dass seine
„Raiffeisenbanken“ von „Konzentration“ bedroht sind. Diese Art von „Weg-Verschmelzen“ den
ländlichen Raum weiter schwächt, statt stärkt.
- Die zur Verschmelzung
anstehende Volks-oder Raiffeisenbank kommt zu der Auffassung, dass es
nicht unbedingt erforderlich ist, die Bank zu verschmelzen, weil davon die
Mitglieder nur Nachteile haben. Sie prüft ernsthaft, die
„Bank-Lizenz“ aufzugeben und sich ggf. in eine Bürgergenossenschaft
umzuwandeln.
Wir wollen
uns zunächst darauf konzentrieren, welche Maßnahmen „vor Ort“ zu
ergreifen wären.
Dazu gehört
z.B. zu prüfen, in welchem Umfang eine Bürgergenossenschaft –
nützlich sein könnte, um
- eine Verschmelzung entweder
zu verhindern oder
- zumindest für die
betroffenen Bankgenossen fair und offen ablaufen zu lassen. …
Die Aufgaben
einer Bürgergenossenschaft sind – standortbezogen – ganzheitlich, die einer
Genossenschaftsbank eher partiell, aber es gibt wichtige „Schnittmengen“ und
Synergien füreinander!
Zunächst
wäre es Aufgabe einer Bürgergenossenschaft – die einen ganzheitlichen
Anspruch zur Entwicklung des jeweiligen Raumes (Kleinstadt, Gemeinde)
erhebt – zu erkennen, dass ein „Weg-Verschmelzen“ der
örtlichen Volksbank dazu führt, dass eine weitere Schwächungdes
betreffenden ländlichen Raumes eintritt!
Bürgergenossenschaften
könnenihr Einzugsgebiet positiv entwickeln oder revitalisieren. Ein
Beispiel, eine genossenschaftliche
Gaststätte, vielleicht mit integriertem Dorfladen. Der gemeinsame
Einkauf oder die Produktion von Energie, Car- und Werkzeug Sharing, das
Angebot haushaltnaher Dienstleistungen, der Bau von Seniorenwohnanlagen.
Aber es fängt auch mit kleinen Dingen an. Mit der Unterstützung bei der
elektronischen Steuererklärung, der Seniorenbetreuung oder sinnvollen Beschäftigungsmaßnahmen
von Geflüchteten. Ein interessantes Beispiel ist die Bürgergenossenschaft
Weingarten.
Bürger-Genossenschaften
– unsere Genossenschaft bleibt vor Ort
und
ändert nur den Geschäftszweck. So bleibt das Geld im Dorf.
Drei
grundlegende Probleme ergeben sich aus jeder „Weg-Verschmelzung“einer
Volksbank:
- Der betroffene ländliche Raum
wird geschwächt.
- Die Mitglieder der zu
verschmelzenden Volksbank übertragen – „kostenlos“– ihr
Vermögen an die aufnehmende Bank. Es gibt keine langfristige
Bestandsgarantie für den Geldautomaten.
- Das „kostenlos“ übertragene
Vermögen der Mitglieder bringt für die Bankgenossen nur
(Vermögens-)Nachteile,für die aufnehmende Bank jedoch (fast) nur
Vorteile und für die betroffene Region ergeben sich ebenfalls Nachteile,
weil dieses Vermögen – nach den derzeitigen Erkenntnissen –
ebenfalls nicht mehr in der Region zur Verfügung steht.
Bei der
Gründung der Bürgergenossenschaft sollten die Genobankmitglieder des
entsprechenden Einzugsgebiets zusammenarbeiten und zum Mitmachen und
aktiver Mitgestaltung auffordern.
Es ist
dringend notwendig, das vor allem viele Bankgenossen dem Gründungs-Team
der Bürgergenossenschaft angehören. Hier ist eine große Koalition angebracht.
Egal ob Bürgermeister, Lehrer oder Kirchenvertreter vor Ort – jeder der
sich für die Erhaltung seiner Genossenschaft einsetzen möchte wird gebraucht.
Die Arbeitsgemeinschaft Bürgergenossenschaft kann dann die Mitglieder der
Genossenschaftsbank direkt ansprechen und gemeinsam ein Konzept entwickeln,
um das gemeinsame Genossenschaftsvermögen zu retten.
Wenn 75%
der Bankgenossen dem Konzept der Bürgergenossenschaften zustimmen,
kann eine Satzungsänderung vorgenommen und der Geschäftszweck der
entsprechenden Genossenschaftsbank geändert werden. Das Bankgeschäft wird
verkauft, der Geschäftszweck wird abgeändert. Die Zweck der Genossenschaft – die
Mitgliederförderung – bleibt bestehen.
Die
Bürgergenossenschaft sollte gleichzeitig einem zweiten Prüfungsverband
beitreten. Auch drüber müssen die Mitglieder abstimmen.
Das Genossenschaftsvermögen ausgewählter Fusionskandidaten wird unter www.geno-bild.de
aufgelistet. Die hier vorgestellten Fusionskandidaten sind derzeit unter
besonderer Beobachtung.
Literaturhinweis: igenos Reihe
Genossenschaftspraxis
Band 3 ISBN
978-3-947355-13-6 Mogelpackung
Genossenschaftsbank. Wo Genossenschaft draufsteht, sollte auch
Genossenschaft drin sein. Ab Juni 2018 im Buchhandel – ab Ende Mai direkt beim
Autor.
Hinweis:
Wir veröffentlichen den Beitrag, weil er zeigt, wie wichtig in Zukunft
Bürgergenossenschaften sein können, besonders wenn Sie ganzheitlich denken, und
beginnen den „WirKraft-Gedanken“ aktiv zur Entfaltung zu bringen