Sicherlich haben äußere Einflüsse dazu mehr beigetragen, als notwendig, drohte doch das Land von Raiffeisen und Schulze-Delitzsch zu einem „genossenschaftlichen Entwicklungsland“ zu verschlafen….
Hier soll es nicht um theoretische Ausführungen zum WARUM und WESHALB gehen, sondern soll am JETZT, den aktuellen faktischen Gegebenheiten angesetzt werden.
Vereinfacht ausgedrückt, waren Genossenschaft noch bis vor Kurzem als erfolgsorientierte Unternehmensformen so bedeutungslos, dass sie manche Kammer gar vergaß, überhaupt erst als Rechtsform für Existenzgründer vorzusehen und selbst Anwälte konnten es sich leisten, mit rechtlicher Inkompetenz zur „GENO“ zu brillieren …
Man „quälte“ und mühte sich ab, Genossenschaften zumindest in sozialen Sektoren als „salonfähig“ einzustufen, denn die Begriffe GENOSSENSCHAFT und ERFOLG schienen nicht so recht in die Wirtschaftslandschaft zu passen.
Das alles hat sich innerhalb von wenigen Jahren geradezu dramatisch schnell gewandelt, der Anstieg beim Verkauf der marktbeherrschenden Beck-Taschen-Texte „Genossenschaftsrecht“ eines großen deutschen Verlags ist mehr als nur ein Indiz.
Dies alles hat offensichtlich auch etwas mit einer neuen Wertehaltung in Wirtschaft und Gesellschaft zu tun: Kooperieren ist „in“! - Transparenz macht Sinn und Einfluss darauf zu nehmen, was mit dem eingesetzten (Eigen-) Kapital geschieht, zeugt von mehr Sensibilität und Selbstverantwortungs-Bewusstsein der Bürger.
Natürlich hat die Gründung von Energiegenossenschaften etwas mit aktuellen Ereignissen zur Atomsituation zu tun, aber das musste nicht automatisch zu einer Ansehensaufwertung von Genossenschaften führen, wäre auch in den bekannten Formen von „AG / GmbH & Co KG – Modellen“ gegangen.
Diese jedoch hatten sich in der jüngsten Vergangenheit nicht gerade als stabile Wert-Bildner geoutet, sodass die Kombination von Neuer Energie und „Fondsstruktur“ nicht zur Akzeptanz zu „vertreiben“ war. Die Vertriebs-Systeme merkten das recht schnell, kannten den Grund, aber waren irgendwie ohne Lösung.
Auch die „Genossenschafts-Traditionalisten“ schienen irgendwie befangen, denn diese neue Entwicklung schien nicht so recht konform zu gehen, mit dem, was Raiffeisen und Schulze-Delitzsch vor Jahrzehnten äußerten.
Und doch, Raiffeisen und Schulze-Delitzsch stehen ganz und gar dieser neuen Entwicklung nicht so fremd gegenüber, wie man meinen könnte, sofern man bereit ist, sie in die JETZ-ZEIT zu stellen. „Alle für einen – einer für Alle“ - kann auch im „Ich für mich – Wir für uns“ wiedererkannt werden, eine Formel, in der individuelles Interesse und Gemeinschaftsgeist zu einem Synergieeffekt „mutieren“.
Nimm man moderne semantische Anleihen, so muss man erkennen, dass Begriffe wie SELBSTVERANTORTUNG oder TeamGeist wenig mit einem Menschenbild zu tun haben, das den Blick in Richtung „Opfer der Verhältnisse“ lenkt, sozusagen „betreutes Wirtschaften“ im Blick hat.
Diejenigen, die zuerst Wirtschaft und Ethik miteinander verbanden, bedurften dieser „Dritt-Betreuung“ nur wenig, eine Veränderung, die manche Gruppen nur schwer nachvollziehen wollen.
Banken, Versicherungen, Währung, etc., ehedem verlässliche Größen für sichere Geldmehrung, mussten immer mehr passen, wer diese heute als „sicher“, „wertebewusst“ oder „effektiv“ tituliert, kann sich eines Schmunzelns gewiss sein.
Geübte Institutionen büßen dramatisch an Glaubwürdigkeit ein, das Ansehen der Politiker und Banker in der Öffentlichkeit befindet sich im untersten Bereichen der beruflichen Anerkennungs-Skala, Bürger die Politik durch Wahlenthaltung schlicht ignorieren, das alles fügt sich in eine Richtung der vermehrten Selbstorganisation.
Hinzu kommt, dass diese gesellschaftlichen Strukturen gewohnheitsmäßig als anonym und weit weg vom Einzelnen wahrgenommen werden – dies und noch einiges mehr signalisiert so etwas wie einen gesellschaftlichen Wertewandel in Richtung Kooperation („Was der Einzelne nicht allein vermag, dafür schafft oder bedient er sich fortan der Gruppe“).
Zugegeben, das Genossenschaftswesen lebt neu auf in diesem Umfeld, das beinahe so etwas wie einen Paradigmenwechsel andeutet, in dem das „Wir machen das schon für euch oder dich“ abgelöst wird von einem „Wir wollen das, und dafür suchen wir das richtige Umfeld“ (was wir auch kontrollieren und beeinflussen können).
Auch bei einer weiteren Ausdifferenzierung im Wertekontext der Gesellschaft, bieten kooperative Strukturen beste Antworten, sind bestens integrationsfähig.
Die neuen Theoretiker einer solchen Entwicklung sind noch nicht zu erkennen, die zeitgemäßen „Raiffeisens“ nicht in Sicht….
Das tut aber der Veränderung keinen Abbruch, denn hier ist Wirklichkeit schlicht und einfach das, „was wirkt“ (oder bewirkt).
Wenn Fonds-Manager ernsthaft darüber nachdenken, Investments zukünftig – zumindest a u c h – in Form von Genossenschaften darzustellen, dann ist dies mehr als nur ein Aufbruch in neue Zeiten….
Was wäre das für ein Signal der Politik, in Deutschland das zu tun, was andere EU-Staaten längst getan haben: Genossenschaftliches und kooperatives Engagement gezielt zu fördern und damit nachhaltig zu stärken.
Die Adepten der Marktwirtschaft sehen wieder, dass Markt (im wohlverstandenen Sinn des Wortes) möglich wird … Was würde Ludwig Erhard wohl dazu sagen, wenn er heute Friedrich Wilhelm Raiffeisen begegnen würde …
Wir gehen wirklich spannenden Zeiten entgegen, Zeiten in denen die Mensch wieder in den Mittelpunkt kommen und nicht auf punktuelle Abstimmungen reduziert werden (Wahlen, etc.), sondern dabei sein können, wo sich etwas für sie Wichtiges ereignet…- z.B. beim schnellen Umbau vom Atom zu Beherrschbar, Nachhaltigkeit und zugleich auch noch preiswert …