Genossenschaften in Thüringen und
Sachsen müssen nicht „auswandern“
Was zunächst wie ein „schlechter
Scherz“ klang, scheint inzwischen ernsthaften Hintergrund zu bekommen: Ein großer
Teil der Genossenschaften in Sachsen und Thüringen ist irritiert über die
Entwicklungen um und in einem der großen traditionellen Genossenschaftsverbände
in Ostdeutschland. Noch vor Jahren auf Expansionskurs von Sachsen nach
Thüringen und Brandenburg, scheint es jetzt, als habe der Verband schon längst
die Hoheit im eigenen Hause aufgeben müssen. Ob eine Sanierung Erfolg haben
wird, wird davon abhängen, ob die Mitgliedsgenossenschaften bereit sind diese mit
den von ihnen zu zahlenden Gebühren und Beiträgen finanzieren.
Um den betroffenen Genossenschaften in
dieser schwierigen Situation auch weiterhin eine regionale Betreuung zu
sichern, hat sich spontan die Arbeitsgemeinschaft Unabhängige Ostdeutsche
Genossenschafts- und Prüfungsverbände (GENO-ARGE-OST) gebildet. Koordiniert
wird die Initiative vom MMW VerbändeNetzwerkes der Deutschen Kooperations- und
Genossenschaftswirtschaft e.V.
Anlässlich einer Tagung der
GENO-ARGE-OST in Leipzig formuliert Gerd K. Schaumann (MMW-Vorstand) die Ziele
der GENO-ARGE:
1. Im Gegensatz zur Bildung immer
größerer Einheiten mittels Verschmelzung, setzen wir auf KOOPERATION, dem
Grundelement des Genossenschaftswesens.
2. Die
ARGE vereint kleinere, aber dafür überschaubare und eigenständige
Verbände. Dadurch wird den Mitgliedern ein Gefühl der Vertrautheit und Nähe
gegeben, was zugleich auch Vertrauen schafft.
3.
Der Sitz dieser kleineren Verbände ist
nicht irgendwo fernab, unerreichbar und kaum sprechbar, sondern ist in der Nähe
präsent; man kennt sich eben.
4. Es gibt keinen Beweis anzunehmen,
dass Größe etwas mit mehr Kompetenz und Leistung zu tun hätte. Im Gegenteil. Alle
diese „Kleinere Einheiten“ sind professionell tätig und aufgestellt, was nicht
zuletzt durch die Qualitätsprüfungen durch die Wirtschaftsprüferkammer nachgewiesen
wurde. Außerdem wird mittels der ARGE zusätzliche Leistung und Kompetenz – bei
Bedarf fachkompetent – beigesteuert.
5. Die Form der ARGE ist außerdem für
die Mitgliedsunternehmen kostengünstig, weil sie keine unnötigen Kosten für
„Hofhaltung“ oder Repräsentation verursacht, die letztlich immer über Beiträge
und Gebühren zu finanzieren sind.
6. Mit dem GENO-KOOP-BUND e.V. dem
Dachverband der Unabhängigen Genossenschafts- und Prüfungsverbände verfügt die
ARGE auch über das heute notwendige Instrument für nationale und internationale
Interessenvertretung und erhält Zugriff auf weitere Serviceangebote, wie z.B.
Weiterbildung, Öffentlichkeitsarbeit und spezielle Fachkompetenz..
Von anwesenden
Genossenschaftsvorständen und –aufsichtsräten ließ sich die ARGE nicht nur
Einblick in vermutlichen Ursachen und zukünftige Entwicklungen des betroffenen
Mitteldeutschen Traditionsverbandes geben, sondern war vor allem interessiert, welche Wünsche bzw. Forderungen
an die ARGE gestellt werden.
Wichtige Themen waren vor allem die
Prüfungskosten und die Beiträge.
Hans Nollau, einer der Koordinatoren
der ARGE berichtete, dass man den ARGE-Verbänden empfehle, über eine
beitragsfreie Doppelmitgliedschaft nachzudenken. Dadurch würde auch erreicht,
dass die Mitglieder sich in aller Ruhe nach einer Alternative umsehen und diese
auch ohne zusätzliche Kosten sozusagen „testen“
könne.
Für den anwesenden pvdp
Prüfungsverband Deutscher Wirtschafts-, Sozial- u. Kulturgenossenschaften e.V.
erklärte dessen Verbandsratsvorsitzender Lothar Kühne, dass er bereits die
Zusage mitbringe, allen Mitgliedern des betroffenen Traditionsverbandes eine
kostenfreie Doppel-Mitgliedschaft anbieten zu können. Herr Reinhard Weller vom
Prüfungsverband Progess e.V. bot ebenfalls bereits eine kostenfreie
Doppelmitgliedschaft an. Die Vertreter der übrigen anwesenden Prüfungsverbände
gingen davon aus, dass ihre Gremien sich der Bitte der ARGE nicht verschließen
werden.
Zum Schluss der Tagung appellierte
Gerd K. Schaumann eindringlich an alle Beteiligten, nicht dem Kreis der
Kritiker an den ehedem schon beschwerlichen Entwicklungen innerhalb des
besagten Traditionsverbandes beizutreten, vor allem nicht in der
Öffentlichkeit. Es ist bereits jetzt nicht unerheblicher Schaden für die
ostdeutsche Genossenschaftslandschaft entstanden und jede weitere Kritik würde
allen Verbänden schaden. In solchen Situationen gibt es keine verbandlichen
„Gewinner“ oder „Verlierer“, in solchen Situationen verliert das gesamte
Genossenschaftswesen und das gerade jetzt, wo Genossenschaften quasi wie
„Phönix aus der Asche“ aufsteigen.