Was vor einigen Jahren noch undenkbar war, nimmt jetzt konkrete Formen an: GENOSSENSCHAFTEN werden für Finanzvermittler zu einem ernsthaften Thema.
Der Grund: Unter dem Begriff „Graumarktregulierung“ hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensrechts vorgelegt.
Das Artikelgesetz gestaltet u.a. das Vermögensanlagengesetz, das Verkaufsprospektgesetz und die Gewerbeordnung.
Mit der Einführung eines neuen § 34 f GewO wird für Finanzvermittler ein eigenständiger Erlaubnistatbestand geschaffen, dessen Ausfüllung derzeit noch zahlreiche offene Fragen birgt.
Aus Sicht des Genossenschaftswesens ist die Einbeziehung der Vermittlung von Geschäfts-Anteilen an Genossenschaften (§ 34 f Abs. 1 Ziff. 3) ein „zweischneidiges Schwert“, das sicherlich im weiteren Gesetzgebungsverfahren genauer zu betrachten sein wird.
Das VerbändeNetzwerk Menschen machen Wirtschaft e.V. dem u.a. zahlreiche unabhängige Genossenschaftsverbände und genossenschaftliche Prüfungsverbände angehören, hat dazu eine spezielle Arbeitsgruppe eingerichtet, deren Auftrag es sein soll, entsprechende Vorschläge und Begründungen für das Gesetzgebungsverfahren zu erarbeiten, potenziell betroffene Vermittler zu informieren, sowie mit den Verbänden der Finanzvermittlung sich abzustimmen.
Die Arbeitsgruppe „GENOSSENSCHAFTEN und FINANZVERMITTLUNG“ hatte jüngst Experten aus den Bereichen Finanzdienstleistung, Genossenschaftswesen, Genossenschaftliches Prüfungswesen, Wissenschaftler, Fachjuristen und Praktiker, zu einem Hearing nach Berlin eingeladen, um insbesondere Fragen der Interpretation, Sinn, und Folgen der Gesetzesvorlage, sowie auch Fragen zum Sachkundenachweis, zu diskutieren.
Zu den wichtigsten Eckpunkten der Ergebnisse des Hearings gehörten:
- Die Gesetzesvorlage ist widersprüchlich, denn sie greift unzulässig in das Genossenschaftswesen ein und schafft damit erst z u s ä t z l i c h e Probleme. Generell eine Beteiligung an einer Genossenschaft als „Kapitalanlage“ zu sehen, wird als „kühne Idee“ von den Fachleuten beurteilt, denn sie steht dem gesetzlichen Förderzweckgedanken einer Genossenschaft quasi konträr gegenüber.
- Erst 2006 wurde dem Gedanken Rechnung getragen, Genossenschaften notweniges Eigenkapital mittels der Aufnahme „investierender Mitglieder“ zuzuführen, um Benachteiligungen des Genossenschaftswesens zu kompensieren, was durch eine pauschale Regelung, dass dessen vermittelte Zuführung reglementiert wird, völlig in ihr Gegenteil verkehrt würde.
- Außerdem findet keine Differenzierung bezüglich eines Volumens des Geschäftsguthabens statt. Faktisch wird j e d e r Euro, der vermittelt in eine Genossenschaft fließt zur „Vermögensanlage“ erklärt, auch wenn es sich lediglich um eine Aufstockung schon bestehender Geschäftsanteile handelt.
- In der jetzigen Fassung ist nicht ausgeschlossen, dass sich sogar Genossenschaften in eine prekäre Situation begeben würden, wenn sie sich selbst um die Bildung von mehr Eigenkapital bemühen, ganz sicher aber dann, wenn sie dies in Verbindung mit einem Dritten tun.
- Fraglich ist auch, ob es opportun ist, einen Sachkundenachweis für den Bereich Genossenschaften über die IHK abzuwickeln, da besonders die IHK bisher nicht gerade offen zum Genossenschaftswesen in Erscheinung getreten ist.
- Offen bleibt auch, ob die Möglichkeit besteht, einen Sachkundenachweis so einzugrenzen, dass lediglich das Genossenschaftswesen tangiert wäre, denn wer sich lediglich auf Genossenschaften ausrichtet, sollte nicht „gezwungen“ werden nunmehr auch in anderen Bereichen tätig zu werden, was quasi eintreten würde, wenn der Sachkundenachweis grundlegend auf ein größeres Segment ausgelegt würde.
- Die Genossenschaftsverbände und Genossenschaftliche Prüfungsverbände verkennen keinesfalls, dass ein Qualifizierungsbedarf in Richtung „GENOSSENSCHAFTS-BERATUNG“ besteht, zumal diese Rechts-Form seit einiger Zeit dynamisch im öffentlichen Ansehen steigt. Die Verbände sind aber sehr wohl in der Lage und auch bereit, dies eigenständig zu regeln und überwachen zu können. Entsprechende Curricula zur Ausbildung z.B. zum „Genossenschaftlichen Fachberater“ liegen bereits vor. Als Prüfungs- und Zertifizierungseinrichtung wären die PRÜFUNGSVERBÄNDE sicherlich – nicht nur fachbezogen – eher in der Lage als die IHK; zumindest wäre jedoch eine Kooperation beider Einrichtungen von Vorteil.
Auch, wenn der Genossenschaft viel „Ehre“ zu Teil wird, – wie die Gesetzesvorlage dies suggeriert - wenn sozusagen auf gleicher Augenhöhe Genossenschaften mit anderen Formen der Vermögensanlage genannt werden, so Gerd K. Schaumann vom Vorstand des VerbändNetzwerks, können doch eigentlich nur „Wenig-Kenner der Materie“, Genossenschaften mit „AG-/GmbH & Co KG – Modellen“ in einem Atemzug nennen. Nicht nur TRANZPARENZ, Kontroll- und Mitwirkungsfunktionen sind in Genossenschaften ein ungleich w i r k s a m e r e r Schutz für Mitglieder, sondern auch die Möglichkeit, eine Mitgliedschaft jederzeit zu beenden ist unvergleichbar. Außerdem werden die Rechte der Mitglieder durch die Pflichtmitgliedschaft der Genossenschaft in einem Prüfungsverband enorm gestärkt; schlussendlich sind auch Genossenschaften die Rechtsform, mit der bei weitem niedrigsten Insolvenzquote...
Dem Votum der Anwesenden entsprechend, sollen die Genossenschaften jetzt zunächst selbst angehört werden – was man sich auch vom Gesetzgeber gewünscht hätte, mindestens die Genossenschaftsverbände einzubeziehen – um anschließend zu einer fundierten (praxisbezogenen) Stellungnahme bezüglich einer nachvollziehbaren Regelung eines Gesetzes beizutragen.
Dazu ist dann ein weiteres Hearing geplant, zu dem auch Politiker aller Parteien eingeladen werden.